Alles von der Stange und doch rasiert!


So, mit leichter, aber ich hoffe, entschuldbarer Verzögerung der Wettkampfbericht.
Ich hatte meinen letzten Bericht ja mit dem Hinweis geschlossen, aufgrund der geänderten Wetterlage, „nach Gefühl“ schießen zu müssen. Und genauso kam es. Luftdruck, Temperatur und Wind am Wettkampftag, alles komplett anders als beim Training an den vier Tagen zuvor. Insbesondere musste der Temperaturabfall von mehr als 10 Grad Celsius ausgeglichen werden. In der Regel reichte dafür ein Klick nach oben im Vergleich zum Training, jedenfalls auf 600m und 800m. Auf 300m hätte ich fast mit der Trainingseinstellung schießen können. Ich machte zwei Klicks und schoss gerade noch 91 Ringe. Auf 300m muss man eigentlich weit über 90 Ringe erzielen, wenn man noch im Rennen bleiben möchte.

Glänzendes Beispiel mein Teamgefährte Helmut Dugnus, der neben mir schießend eine fast perfekte Serie mit 100 von 100 Ringen und 7 (!) Innenzehnern schoss. Viel mehr ist selbst theoretisch nicht mehr möglich. Damit gewann Helmut selbstverständlich die Einzelwertung über 300m. (Anmerkung des Verfassers: Der Durchmesser der Innenzehn beträgt lediglich 40 mm !)

Auf 600m konnte ich mich dann auf 93 Ringe steigern. Das ist zwar nicht schlecht, aber auch nicht überragend. Dass dieses Ergebnis diesmal dennoch zum Sieg in der Einzelwertung über die 600m – Distanz reichte, mag an den vollständig anderen äußeren Bedingungen im Vergleich zu den Trainingstagen gelegen haben. Jetzt kam es in der Hauptsache darauf an, diese neuen Bedingungen zu bewerten und entsprechend in die Einstellungen mit einfließen zu lassen. Hierdurch ließen sich technische Nachteile etwas ausgleichen.

Wie einige vielleicht wissen, schieße ich zwei Waffen ohne großes Tuning „out of the box“. Einzig bei meiner TIKKA habe ich mir nach drei Jahren einen etwas besseren Abzug gegönnt. Meine Wettkampfwaffe in Nowa Deba, eine HAENEL RS9 im Kal.: .338 LM kommt dagegen völlig ohne zusätzliches Tuning aus. Dazu kommt, dass ich nicht wiederlade und auch meine Munition reine Fabrikmunition ist. Damit hat man gegen auf Maß geschneiderte Customrifles mit ebensolcher „Custommunition“ einen nicht unerheblichen Nachteil.

Bitte versteht mich nicht falsch: Meine RS 9 ist ein SUPERGEWEHR und schießt um einiges besser als ich. Aber eine Waffe ausschließlich zum ELR (Extreme Long Range) hat da natürlich Vorteile. Schließlich ist eine Customrifle ja auch völlig ungeeignet für den harten Feldeinsatz, für den meine RS9 gemacht ist.

Ein zweiter Aspekt mag auch noch mitentscheidend gewesen sein. In Nowa Deba handelte es sich um einen Wettkampf in der „Sniperklasse“. Das heißt, es fanden keine Probeschüsse statt, Korrekturen waren daher nur bedingt vielleicht noch auf 300m denkbar, danach nicht mehr. Die Schüsse mussten also von Anfang an sitzen.
Weiter durfte die Waffe hinten nicht aufgelegt, sondern ausschließlich mit der Hand unterstützt werden. Insbesondere Customrifles besitzen am Hinterschaft ein Monopod oder einen Schlitten, der (auf einer kleinen Holzplatte aufgesetzt) sich über eine Stellschraube millimeterweise bewegen lässt. Dass steigert zwar die Genauigkeit enorm, ist aber eben nicht „sniperlike“. Die beschriebenen technischen Vorteile der Customrifles konnten daher in Nowa Deba nicht voll ausgespielt werden. Es kam etwas mehr auf die Fehlerquelle hinter der Waffe an.

Fazit: der Wettkampf hat gezeigt, dass auch mit unveränderten Serienwaffen respektable Ergebnisse erzielt werden können, wenn man sich mit Long Range Schießen etwas beschäftigt (und natürlich etwas Glück hat).

Dass man gerade beim Long Range IMMER auch etwas Glück benötigt, zeigt folgender Umstand: Auf 800m und auf 1000m schoss ich mit 85 und 83 Ringen solide Ergebnisse. Auf die 800m – Distanz reichte es damit zum 5. Platz in der Einzelwertung, die 1000m – Distanz konnte ich damit, neben der 600m-Distanz, ebenfalls für mich entscheiden. Eine knappe Stunde danach auf die 1200m-Distanz brachte ich es lediglich auf 16 Ringe. Was falsch gelaufen ist, kann ich leider nicht sagen, weil uns die Scheiben nicht zur Auswertung zur Verfügung gestellt wurden. Vom Winde verweht oder einfach falsch geklickt–keine Ahnung.

Die Magnumklasse war in Nowa Deba klar in deutscher Hand. Bis auf die 1200m Einzelwertung konnte alles von uns gewonnen werden.
Helmut Dugnus, wie gesagt, die 300m.

Heinrich Fortmeier die 800m. Leider ließ der Veranstalter Heinrichs Gruppe über 1200m nicht mehr starten, weil nur bis 18:00 Uhr geschossen wurde und es bereits 17:40 Uhr war. Eine Frechheit mehr, die sich der Veranstalter erlaubte. Aber über das Organisationschaos hatte ich ja bereits berichtet.

Ich selbst konnte die 600m, die 1000m und die Gesamtwertung im Triathlon über 300m-600m-800m für mich entscheiden. Und- Ihr werdet`s nicht glauben, ich gewann sogar noch ein Rear Bag in der Tombola, obwohl ich sonst nie etwas gewinne. Da hatte mein Mitstreiter Heinz-Dieter Rabbe aus der LRGruppe Nord zu Beginn des Wettkampfes absolut Recht, als er meinte, dass meine Startnummer (63, gleichzeitig mein Geburtsjahrgang) ein gutes Ohmen sei.

An dieser Stelle nochmals meinen Dank an meine Mitschützen aus der Long Range Gruppe Nord:

v.li.n.re: Stanislaw Rowinski, Heinz-Dieter-Rabbe, meine Wenigkeit, Dieter Galzow und Helmut Dugnus.
Insbesondere der Tipp von Dieter und Helmut, das Gewehr nicht zu reinigen, scheint richtig gewesen zu sein, obwohl ich die Sache erst für einen Scherz hielt. Werde das gute Stück, jetzt nach ca. 300 Schüssen einer Generalreinigung unterziehen!!

Besonders genossen habe ich die Atmosphäre in diesem international besetzte Teilnehmerfeld (Holländer,ein Elsäßer, Österreicher, Slovaken, Deutsche und unsere polnischen Gastgeber). Ambitioniert Sport treiben, aber den Spaß nicht vergessen – genau mein Ding!